Skulptur Zeichnung Malerei
Matschinsky - Denninghoff
Werke von Matschinsky - Denninghoff
Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff arbeiten bereits seit über 50 Jahren gemeinsam als Bildhauerpaar, entwickeln künstlerische Ideen, die nach intensiver Diskussion auch technisch gemeinsam ausgeführt werden – erst recht, wenn es sich um großformatige Werke handelt. Kleinere entstehen dann und wann, zumindest anfänglich, wohl auch im Alleingang, wenn eine spezielle räumliche Vorstellung dem Partner anders nicht zu vermitteln ist, weder mit Worten noch in der Zeichnung. Aber auch hier unterliegt die langsam in den Raum hineinwachsende Arbeit von Anfang an dem kritischen Dialog, dem handwerklichen Eingriff der/des anderen, wird also in gemeinsamer Auseinandersetzung vorangetrieben – und bisweilen auch gemeinsam verworfen. Welchen Anteil der eine oder die andere von beiden Künstlern an einer bestimmten Skulptur schließlich hat, ist im Nachhinein nicht mehr zu sagen, auch nicht von den beiden selbst.
Das ist in unserer arbeitsteiligen Welt für viele Kunstfreunde offensichtlich immer noch schwer vorstellbar, obwohl die enge Kooperation von Künstlern inzwischen weit verbreitet ist. Originalität und Unverwechselbarkeit scheinen gleichwohl bei vielen in der Vorstellung immer noch dem einzelnen und vereinzelten Genius verhaftet. Der kreative Geist zieht seine Bahnen ausschließlich allein. Oder? Das scheint ein hartnäckiges Vorurteil zu sein.
Um so staunenswerter bleibt es deswegen, wenn es zwei so unter-schiedlichen künstlerischen Charakteren, wie es Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff nun einmal sind, so eindrucksvoll gelingt, während eines ganzen arbeitsamen Lebens eine außerordentlich wandlungsreiche, gemeinsame bildhauerische Handschrift zu entwickeln. Ihre ureigene Ausdruckshaltung ist dabei über Jahrzehnte vornehmlich durch ihren Umgang mit dem plastischen Material bestimmt, für das sie sich früh entschieden haben, dem Metall: gelötete Messingstäbe für das Innenraumformat und aneinandergeschweißte Rohre aus Chromnickelstahl für die Großskulptur im Außenraum, der Stadt oder der Natur. Berühmt geworden sind sie weit über Deutschland hinaus durch ihre zahlreichen, unsere Plätze und Stadträume prägenden Skulpturen aus Stahlrohrbündeln. Ihre einzigartige Technik, gleichsam ihre „Handschrift“ in aller Anonymität der technischen Perfektion, ist seit den 70er Jahren zu einem weithin erkennbaren Markenzeichen ihrer Kunst geworden. Die Bündel aus zahllosen, gleichmäßig gereihten Stahlrohren bilden voluminöse, organische Formen, die zu großer Höhe aufsteigen können, in weit ausfahrenden Schwingungen oft die Schwerkraft aufzuheben scheinen, weil sie kühnste Wendungen und Drehungen im Raum vollziehen; statisch ist dies allein ihrer speziellen Technik zu verdanken. Dabei stoßen selbst sie an Grenzen – doch es bleibt über die Jahrzehnte hinweg bezeichnend, dass beide Künstler nach immer neuen Wegen suchen, solche Grenzen kühn zu überschreiten. Diese Suche nach ständig Neuem, nach Verwandlung des Bekannten, das Erkennen noch ganz anderer Gestaltmöglichkeiten im schon ausgeschritten Geglaubten, ist ein grundlegendes Charakteristikum, das ihr Lebenswerk als nie versiegender Antrieb bis heute prägt.
Berlin, 1985 - 1987, Chromnickelstahl, 800 x 900 x 500 cm
Tauentzienstraße, Berlin, WV 565
62/14, 1962, Messing und Zinn, 26 x 14 x 14 cm, WV 146
Porta, 1988, Messing und Zinn, 45 x 50 x 40 cm, WV 593
ohne Titel, 1990, Messing und Zinn, 59 x 74 x 20,5 cm, WV 652
ohne Titel, 2008, Pastell und Kohle auf Papier, 105 x 74 cm, B.M.D.
96/113, 1996, Acryl auf Leinwand, 50 x 60 cm, M.M.
03/22, 2003, Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm, M.M.
Garten Schönfeld, 2008
Noch 1998, im jugendlichen Alter von 75 bzw. 77 Jahren, nahmen sich Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff wieder einmal, wie so oft in ihrem Gesamtwerk zu beobachten, solche Freiheit, indem sie mit „Großer Tempel“ (siehe Abb. unten) tatsächlich eine Skulptur schufen, die man kaum mehr mit diesem Begriff benennen mag. Denn sie ist pures Ereignis im Raum, das keine geschlossene Form mehr kennt. Sie ist sich ständig wandelnde, flirrende Erscheinung im Licht, genauer: aus Licht. Unzählige, unterschiedlich lange oder kurze, gebogene aneinandergeschweißte Fragmente der stets verwendeten Chromnickelstahlrohre bilden einen verwirrenden, tänzerisch gefügten, ganz offenen, luftigen Kubus von vier Metern Höhe, Breite und Länge. In ihm begegnen wir dem unaufhebbaren Widerspruch zwischen der strikten geometrischen Form im Raum und der bis an die letzte Grenze der Auflösung getriebenen Gestaltung. Es gibt keine greifbaren Volumen mehr, einst eines der Grundelemente plastischer Formfindung, sondern die ‚Skulptur’ ist völlig entmaterialisiert. Damit aktivieren die Matschinskys die vierte Dimension des Raumes, den Ablauf von Zeit, in nie gesehenem Maße und unerkannter Schönheit als bildhauerisches Prinzip. Der Traum vieler Bildhauer, frei im Raum zeichnen zu können, hat hier seine Erfüllung gefunden, in der entschiedenste Form und willkürliche Offenheit unauflöslich miteinander verbunden werden.
Jörn Merkert
Großer Tempel, 1998
ohne Titel, 2008, Pastell und Kohle auf Papier, 105 x 74 cm, B.M.D.
Dreiheit, 1993, Chromnickelstahl, 600 x 300 x 300 cm, WV697,
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Große Gaia, 1984, Chromnickelstahl, 300 x 640 x 360 cm, WV 468,
Saarlandmuseum Saarbrücken
Pyramide, 2006/07, Chromnickelstahl, 420 x 380 x 380 cm, WV 917